Genau am 13. Dezember 2023 hatte die Bundesregierung die Nationale Pharmastrategie vorgestellt. Gleich drei Ministerien sowie das Bundeskanzleramt waren an der Entwicklung des Papiers beteiligt - koordiniert wurde die Gruppe vom damaligen Staatssekretär im Bundeskanzleramt und heutigen Finanzminister, Jörg Kukies.
Ziel der konzertierten Aktion war es, nach viel Kritik aus der Pharmabranche die Standortbedingungen zu verbessern. Neu war, dass die Strategie in einem engen Dialogprozess zwischen Pharmawirtschaft und der Bundesregierung entstand.
Dem vorausgegangen war eine Zeit der Entfremdung zwischen der Branche und Gesundheitsminister Lauterbach, der sich bis dato nur selten mit Akteuren aus der Pharmaindustrie traf. Dies gipfelte darin, dass Lauterbach sich im Juni 2023 bei Markus Lanz selbst als „Lobbyschreck“ bezeichnete.
Entsprechend groß war die Erleichterung in der Branche, als das Bundeskanzleramt das Heft des Handelns an sich zog und den Blickwinkel vergrößerte. Das Thema wurde raus aus der rein gesundheitspolitischen Betrachtung genommen. Mit der Einbeziehung des Wirtschaftsministeriums und des Ministeriums für Forschung und Bildung sollte eine ressortübergreifende Strategie entstehen, welche die gesamte Relevanz und auch das Potenzial der Pharmaindustrie für den Wirtschaft- und Forschungsstandort Deutschland herausarbeitete.
Auf Grundlage der Strategie entstand bspw. das Medizinforschungsgesetz, bereits vorab erarbeitete Gesetze wie das Digitalgesetz oder Gesundheitsdatennutzungsgesetz wurden ebenfalls der Pharmastrategie untergeordnet.
Kommt die Pharmastrategie 2.0?
Die nächste Koalition wird aus parteipolitischem Kalkül heraus sicherlich nicht eins zu eins ein Papier der Vorgängerregierung übernehmen – einzige Ausnahme wäre, wenn die SPD wieder in die Regierung käme. So oder so ist aber davon auszugehen, dass auch die nächste Regierung den Wert der Pharmabranche für den deutschen Forschungs- und Wirtschaftsstandort anerkennt und die Industrie nachhaltig stärken will. Denn nur wenige Branchen stehen derzeit so gut da – so sieht laut einer Pressemitteilung aus dem Oktober 2024 der Branchenverbands vfa die Branche als „Lichtblick in der Wirtschaftsflaute“. Während das BIP schrumpft, investieren Pharmaunternehmen in die heimische Produktion – auch die Zahl der Beschäftigten ist gegen den Trend gestiegen.
Doch besteht das Risiko, dass die aktuellen geopolitischen Entwicklungen – vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine über die Umwälzungen in Syrien bis hin zum Amtsantritt einer höchst disruptiven Trump-Administration – das Thema Gesundheit und damit Pharma überschatten. Das zeigt sich bereits im Wahlkampf. Daher sollten die Interessenverbände und Unternehmen schon jetzt mit den potentiellen politischen Entscheidern der kommenden Regierung Kontakt aufnehmen und ihren gesellschaftlichen Wert erläutern. Denn es wird entscheidend sein, dass die Leitindustrie Pharma ihren Platz im kommenden Koalitionsvertrag findet und somit auf der Regierungsagenda der nächsten Legislatur steht. Dabei gilt es insbesondere, zwei Säulen der Pharmastrategie in die nächste Legislatur zu tragen: Die ressortübergreifende Relevanz der Branche für Forschung und Entwicklung, Gesundheit und zukunftsfähige Arbeitsplätze sowie ein gelebter fortlaufender Dialog zwischen Politik und Industrie.