Der 6. November 2024 war für die Public-Affairs-Arbeit ein Blitzeinschlag, wie es ihn selten gegeben hat. Erst gewinnt Donald Trump die Wahl zum US-Präsidenten, dann entlässt Bundeskanzler Scholz seinen Finanzminister. In diesem Beitrag soll es nicht um die Hintergründe oder die Bewertung der politischen Vorgänge gehen. Darüber wurde in den vergangenen Tagen bereits viel geschrieben. Vielmehr geht es um die Frage, welche Herausforderungen und Chancen politischen Umbrüche wie das Aus der Ampelkoalition für die Interessensvertretung bringen.
Öffentlichkeit schaffen als Win-Win
War es in der ursprünglichen Zeitplanung – also knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl – noch möglich, inhaltliche Impulse in die Gesetzgebungsprozesse einzubringen, sind viele von ihnen inzwischen obsolet. Neue Gesetze werden kaum noch angestoßen und selbst eine Kleine Anfrage hat es unter diesen Vorzeichen schwer.
Nun wo der Termin für die Neuwahl steht, beginnt die heiße Phase des Wahlkampfes. Aus meiner eigenen politischen Erfahrung kann ich sagen: Jetzt geht die Panik in jeder Partei und bei den meisten Abgeordneten um. Der Wahlkreis oder der Platz auf der Landesliste muss gesichert werden, Telefone laufen heiß. Nahezu Alles, was in Vorbereitung des Wahlkampfes zählt, ist Öffentlichkeit.
Diese disruptive Situation ist natürlich eine große Herausforderung. Dennoch kann sie auch als Chance für Unternehmen genutzt werden: Unternehmen, die sich im politischen Diskurs positionieren und jetzt - früher als geplant - Impulse für den ab Frühjahr zu verhandelnden Koalitionsvertrag setzen wollen, können diesen Drang nach Aufmerksamkeit nutzen. Dafür müssen die eigenen Themen anschlussfähig für den politischen Wahlkampf aufbereitet werden. Gleichzeitig können Win-Win Situationen entstehen, wenn Politikerinnen und Politiker sich zu Themen z.B. mit wirtschafts- oder energiepolitischem Fokus positionieren wollen. Ein Unternehmensbesuch kann ihnen eine Bühne für starke Zitate und schöne Bilder geben, während das Unternehmen Aufmerksamkeit für seine Themen generiert. Dabei ist jedoch zu beachten, nicht nur eine Partei anzusprechen. Gerade in einer heißen Wahlkampfphase ist es nicht ratsam, einseitig mit einer Partei in Verbindung gebracht zu werden oder Themen zu einseitig an bestimmte Vertreterinnen und Vertreter zu tragen. Vielmehr sollten z.B. die jeweiligen Fachpolitiker aller demokratischen Parteien eingeladen werden.
Der vor-legislative Raum mit Priorität
Den “legislativen Stillstand” können die Public-Affairs-Verantwortlichen derweil nutzen, um ihre eigentlich vorgesehenen Gesprächstermine mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf den vorpolitischen Raum zu verlegen.: Detailfragen, wie z.B. die genaue Umsetzung des europäischen Lieferkettengesetz (CSDDD) in nationale Gesetzgebung, haben gerade keine Priorität für die politisch Verantwortlichen. Es ist daher nicht sinnvoll, Gespräche mit Abgeordneten zu vereinbaren. Vielmehr sollten Public-Affairs-Verantwortliche jetzt den Fokus auf den vor-legislativen Raum legen: Termine bei (Wirtschafts-)Verbänden, Jugendorganisationen oder NGOs sollten priorisiert werden. Hier gilt es, ein langfristiges Netzwerk aufzubauen, welches die aktuelle und künftige Regierung überdauern. Eine starke Verankerung in einem breiten Netzwerk hilft grundsätzlich, besser auf den legislativen aber auch den medialen Raum einwirken zu können.
Gleichzeitig müssen jetzt die Landeslisten der Parteien genau „gescannt“ werden. Wer schafft (vermutlich) erneut den Einzug in den Bundestag? Welche spannenden Newcomer bringen sich in Stellung? Welche Fraktion wird mutmaßlich wachsen? Hier kann es sinnvoll sein, ausgewählte Personen bereits vor dem vorgezogenen Wahltermin anzusprechen. Dabei stehen die Chancen für eine Win-Win-Situation gut: Der oder die (künftige) Abgeordnete kann sich profilieren, indem er/sie bereits frühzeitig den Dialog mit der Wirtschaft sucht, während das Unternehmen frühzeitig einen guten Draht zu einem (potenziell) relevanten Stakeholder aufbauen kann.
Fazit: Strategie anpassen, Chancen nutzen
Ein politischer Blitzeinschlag, wie der vom 06. November 2024, ist trotz aller kurzfristigen Herausforderungen eine Chance für die politische Kommunikation. Unternehmen, die ihre Strategien frühzeitig anpassen und mutige Public-Affairs-Arbeit machen, werden nicht trotz der Veränderungen Erfolg haben, sondern gerade wegen der Veränderungen. Der Ampel-Bruch hat ein politisches Momentum erzeugt. Dieses lässt sich gezielt für die eigenen Aktivitäten nutzen. Die kommenden Wochen bleiben spannend.