12.05.2025 / Artikel

Minister aus der Wirtschaft: Chance für einen neuen Umgang mit Interessenvertretung?

Die Kabinettsbesetzung des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz sorgt für Gesprächsstoff: Keine Rückgriffe auf Merkel-Minister der vergangenen Jahre, ein punktuelles Durchbrechen von traditionellen Proporz-Spielchen – und eine gezielte Besetzung mit Persönlichkeiten aus der Wirtschaft.

Mit Katherina Reiche (Westenergie), Karsten Wildberger (u.a. MediaMarktSaturn-Gruppe) und Wolfram Weimer (Weimer Media Group und ehem. U.a. Cicero) setzt Merz auf Erfahrung außerhalb des Politikbetriebs. Das Signal: Praxis vor Parteitaktik.

Viel wird aktuell über Risiken und Potenziale dieser unkonventionellen Personalentscheidungen diskutiert. Helfen externe Einflüsse tatsächlich? Werden die Minister als Lobbyisten agieren? Wie können sich Wirtschafts-Manager an die z.T. trägen politischen Strukturen gewöhnen? Doch ein Aspekt, der dabei zu kurz kommt: Was bedeutet dieser Bruch mit Traditionen für die politische Kommunikation – insbesondere für die Rolle von Public Affairs und Interessenvertretung?

In der letzten Legislaturperiode war der Zugang zu politischen Entscheidungsträgern für viele Verbände und Unternehmen stark eingeschränkt. Der Dialog mit der Wirtschaft wurde vielerorts bewusst reduziert – begleitet von einem veralteten, karikaturhaften Bild des "bösen Lobbyisten", der nur das Eigeninteresse der Gewinnmaximierung eines Unternehmens im Blick hat.

Erfolgreiche Politik braucht Austausch und Partizipation beim Willensbildungsprozess – mit Bürgern, Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft. Sie braucht Einbindung statt Ausgrenzung, Transparenz statt Pauschalverdacht.

Die neue Bundesregierung bietet nun die Chance, die Interessenvertretung wieder konstruktiver zu gestalten. Gerade Minister mit Wirtschaftshintergrund wissen um den Wert externer Perspektiven. Mutmaßlich war dies auch ein wesentlicher Grund für ihre Berufung.

Aber klar ist auch: Nähe darf nicht zur „Verfilzung“ führen. Es braucht klare Regeln, Transparenz, Verantwortungsbewusstsein – auf beiden Seiten. Diese werden versucht, durch das Lobbyregister, welches ein gut gemeinter aber weiterzuentwickelnder Ansatz ist, sicherzustellen.  Im konkreten Fall ist es wichtig, gewisse rote Linien nicht zu überschreiten. Natürlich sollte sich die designierte Wirtschaftsministerin Reiche nicht direkt häufiger mit E.on-Managern, die in unmittelbarem Zusammenhang zu ihrer vorherigen Station stehen, treffen. Ein Fehlverhalten eines Ministers in dieser Hinsicht könnte der Interessensvertretung und somit den vielen Unternehmen in Deutschland enorm schaden. Dieser Verantwortung müssen sich alle Beteiligten bewusst sein.

Jetzt ist die Zeit, Interessenvertretung neu zu denken – als offenen, transparenten und integrativen Prozess.

 

Bildnachweis:
@Ivan Lopatin

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