10.02.2021 / Artikel

Restrukturierungen kommunikativ begleiten: Birger Steinbrück im Interview

Birger Steinbrück, Associated Partner bei SKM Consultants, hat Veränderungs- und Restrukturierungsprojekte in Unternehmen aus unterschiedlichen Perspektiven kennengelernt. Als ehemaliger HR-Direktor weiß er aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, die Kommunikation als integrierten Teil eines Projekts zu begreifen.

Herr Steinbrück, als Jurist und Associated Partner bei SKM haben Sie in den vergangenen Jahren eine Reihe von Restrukturierungsprojekten in Unternehmen begleitet. Welchen Stellenwert hatte dabei die Kommunikation?    

Wenn eine Restrukturierung erforderlich ist, um die Zukunft eines Unternehmens zu sichern, wird – in einer idealen Welt – eine Projektgruppe gebildet, in der alle relevanten “Fakultäten” vertreten sind. Dies sind typischerweise Expertinnen und Experten aus BWL, Recht, HR und Kommunikation. Die Kommunikation ist also ein wichtiges Element, um Veränderungen im Unternehmen zu gestalten.

Sie messen der Kommunikation also keine besondere Rolle zu?

Nein. Sie ist nicht wichtiger, aber auch nicht unwichtiger als andere Funktionen. Die Projektgruppe, die häufig an ein Steering Committee berichtet, muss sich als Team verstehen und aufeinander hören. Unter den Fakultäten sollte es also keinen primus inter pares geben.

Sie sprachen von der idealen Welt; welche Erfahrungen haben Sie denn in der echten Welt gemacht?

Tatsächlich läuft es leider häufig so: Verantwortliche rufen erst nach kommunikativer Expertise, wenn die Lage schon sehr ernst oder fast aussichtslos ist. Meiner Meinung nach ist dies ein Fehler der Projektplanung. Im Ergebnis verursacht das Stress. Es kostet Kraft, die verlorene Zeit aufzuholen und die bereits vorhandenen Projektergebnisse zu synchronisieren. Ein Ziel unseres Kommunikationsansatzes ist deshalb immer, frühzeitig Akzeptanz und Perspektiven für “Gewinner” und “Verlierer” der betrieblichen Veränderungen zu schaffen. Dafür müssen Unternehmen nicht nur erläutern, warum Maßnahmen erforderlich sind, sondern gleichzeitig in der Belegschaft für Planungssicherheit sorgen.

Für die Gruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bleiben, klingt das einleuchtend. Wie aber erreicht ein Unternehmen Menschen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Arbeit verlieren?

Zunächst einmal müssen Führungskräfte Verständnis dafür aufbringen, dass die Betroffenen in beruflicher Hinsicht fundamental getroffen und schlicht sauer sind. Angestellte sind Menschen und keine Zahlen. Dieser Appell mag trivial klingen; viele Führungskräfte neigen jedoch dazu, EXCEL-Tabellen und Balken-Diagramme für Kommunikation zu halten. Betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten keine betriebswirtschaftliche Analyse hören, sondern ihren Arbeitsplatz behalten. Sie interessieren nicht für die Fortschritte im „Change-Projekt XYZ “, das daraus resultierende neue Organigramm oder erhoffte Umsatzverbesserungen; sie wollen einen ehrlichen Umgang und verbindliche Informationen zu ihrer Zukunft.

Sind rationale Argumente also sinnlos?

Auf keinen Fall. Natürlich bedarf es einer sachlichen Darstellung – vor allem der Gründe für eine Restrukturierung. Der Kern der Kommunikation liegt aber woanders. An erster Stelle ist Empathie gefragt. Unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen geht es darum, deutlich zu machen, dass sich das Unternehmen bemüht, negative Konsequenzen so fair wie möglich abzufedern. Gleichzeitig müssen die positiven Botschaften zur Zukunft angemessen und glaubwürdig dargestellt werden. Die Kommunikationsverantwortlichen stimmen sich in diesem Prozess mit den anderen Projektbeteiligten ab, wählen die geeigneten Kanäle und sorgen für die richtige „Taktung“ der Botschaften. Und schließlich: Der Austausch endet nicht an dem Tag, an dem ein Veränderungsprojekt intern und extern bekannt gegeben wird.

Neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bleiben weitere Stakeholder: Zu welchem Vorgehen gegenüber Politik, Behörden und Medien raten Sie Verantwortlichen?

Sie sprechen die externe Kommunikation an, die synchron zur internen Kommunikation verlaufen muss. Die Verantwortlichen in Politik, Behörden und Medien reagieren auf Restrukturierungspläne sehr unterschiedlich. Grundsätzlich halte ich eine möglichst frühe Information und Beteiligung der verschiedenen Stakeholder für wichtig. Hierzu bedarf es einer genauen Analyse der Ausgangslage. Wie ist die wirtschaftliche Lage in der Region? Befinden sich Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf? Auch vermeintlich „kleine Veränderungen“ können eine eigene Dynamik entwickeln. Niemand möchte von einschneidenden Personalveränderungen in seiner Region aus den Medien erfahren. Um die Reputation des Unternehmens zu schützen, ist deshalb auch im öffentlichen Diskurs ein schnelles und professionelles kommunikatives Vorgehen wichtig. Professionell bedeutet, dass korrekt, zügig und glaubwürdig kommuniziert wird.