26.03.2021 / Artikel

Was das neue Lobbyregister für die politische Interessenvertretung bedeutet

Gestern Nacht hat der Bundestag mit dem sogenannten Lobbyregistergesetz (LobbyRG) die Weichen für eine transparentere Interessenvertretung gestellt. Vorausgegangen waren monatelange Verhandlungen zwischen den Koalitionsfraktionen – ursprünglich ausgelöst durch die öffentliche Empörung über die Affäre um den CDU-Politiker Philipp Amthor im Sommer 2020. Sie trug maßgeblich dazu bei, dass die Union den von anderen Parteien und Gruppen schon lange geforderten Vorhaben zustimmte. Die Maskenaffäre tat ihr übriges, die festgefahrenen Verhandlungen zum Ziel zu führen.

Was in Brüssel auf der EU-Ebene gelebter Standard ist, gilt nun auch für die Interessenvertretung in Deutschland. Ziel ist es dabei, mehr Transparenz und damit auch Akzeptanz für eine professionelle Interessenvertretung zu schaffen und den negativ besetzten Begriff des Lobbyismus aus der „Schmuddelecke“ zu nehmen. Dies ist grundsätzlich im Sinne der Public Affairs Branche, was sich unter anderem daran zeigt, dass sich die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung (degepol) seit fast zwei Jahrzehnten für ein solches Register einsetzt. Dennoch stößt der aktuelle Gesetzestext in einigen zentralen Punkten auf Ablehnung.

Was ändert sich konkret?

  • Politische Interessensvertreter müssen sich künftig in ein öffentliches Verzeichnis eintragen, wenn sie regelmäßig, dauerhaft oder geschäftsmäßig für Dritte arbeiten. Diese Definition schließt also Unternehmen, Verbände, Nichtregierungsorganisationen und Beratungsagenturen mit ein. Die Pflicht zum Eintrag in das Register gilt auch dann, wenn innerhalb der jeweils vergangenen drei Monaten mehr als 50 unterschiedliche Kontakte zur Interessenvertretung aufgenommen wurden.
  • Die gesetzliche Registrierungspflicht soll für die Interessenvertretung gegenüber Abgeordneten, Fraktionen und der Bundesregierung gelten. Bei letzterer sind auch Staatssekretäre und Unterabteilungsleiter der Ministerien erfasst.
  • Es gibt allerdings auch Ausnahmen: So müssen sich bspw. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, Parteien, politische Stiftungen oder Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht registrieren.
  • Agenturen und andere Dienstleister in der Interessensvertretung müssen offenlegen, für welche Kunden sie tätig sind. Zudem muss die Anzahl der Beschäftigten angegeben werden, welche die Interessenvertretung unmittelbar ausüben (in Stufen von jeweils zehn Beschäftigten). Angaben zu den jährlichen finanziellen Aufwendungen im Bereich der Interessenvertretung sollen in Stufen von jeweils 10.000 Euro erfasst werden, nicht registriert wird das Ziel des Auftrags.
  • Das Register wird digital beim Bundestag geführt. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro rechnen.
  • Zudem sieht das Gesetz vor, dass der Bundestag und die Bundesregierung einen einheitlichen und verbindlichen Verhaltenskodex für die Interessensvertretung vorgeben. In einem früheren Entwurf des Gesetzes sollte dieser Kodex noch in den Branchen selbst als Selbstverpflichtung erarbeitet werden. Auf der Zielgeraden der Verhandlungen einigten sich die Koalitionäre nun auf Drängen der SPD auf diese einheitliche Lösung. Diese soll noch mit „Vertretern der Zivilgesellschaft“ erarbeitet werden.

Kritik von Verbänden, NGOs und der Opposition

Der einheitliche Kodex wird von Verbänden wie der degepol scharf kritisiert. Denn er ist ein Eingriff in die sonst übliche und bewährte Praxis der Selbstverpflichtung. Es wird befürchtet, dass am Ende ein Kodex entsteht, der nicht die Realität der pluralistischen Interessenvertretung abbildet.

Organisationen wie Transparency International, Lobby Control und der Opposition im Bundestag geht das Gesetz noch nicht weit genug. Sie fordern die Einführung eines sogenannten „exekutiven Fußabdrucks“. Er soll deutlich machen, wessen Anliegen von einem Gesetzentwurf betroffen sind und wer sich in den Gesetzgebungsprozess eingebracht hat. Es reiche nicht aus, lediglich die Seite der Lobbyisten offenzulegen. Ebenso wichtig sei es, darzulegen, inwiefern eingebrachte Interessen tatsächlich berücksichtigt wurden. Auch die Grünen im Bundestag wünschen sich eine bessere Nachvollziehbarkeit der Kontakte und fordern eine Veröffentlichkeitspflicht einzelner Treffen von Beamten, Abgeordneten und Ministern.

Mandatslobbyismus bleibt ausgeklammert

Einen zentralen Aspekt, der auch im Fokus des aktuellen „Maskenskandals“ steht, klammert das Gesetz weiter aus: Den sogenannten Mandatslobbyismus - also das Mandatsträger als Lobbyisten entgeltlich tätig sind. Die großen medialen „Aufregerthemen“ der letzten Wochen würden gar nicht erst unter die neuen Regeln des Lobbyregisters fallen, da hier einige wenige Mandatsträger selbst die Lobbyisten waren.

Dabei schadet die Wahrnehmung eines öffentlichen Mandats bei gleichzeitiger Interessenvertretung gegen Entgelt dem Ansehen der pluralistischen Demokratie. Es bringt die Mandatsträger in der öffentlichen Wahrnehmung in eine Grauzone von Interessenkollisionen und vermuteter Korruption. Die degepol fordert das Verbot des Mandatslobbyismus schon seit 2004 und hält dies in ihrem Verhaltenskodex fest. Aktuell bekommt diese Forderung auch Auftrieb durch das Zehn-Punkte-Papier der CSU, dem sich zwischenzeitlich auch die Unionsfraktion angeschlossen hat. Laut Parteichef Markus Söder soll dieser Plan für „volle Transparenz“ sorgen. Im Mittelpunkt steht eine Integritätserklärung, die jeder Abgeordnete abgeben soll – geschieht dies nicht, drohen Konsequenzen bis hin zum Parteiausschluss. Auch Transparenzvorschriften im Abgeordnetengesetz sollen deutlich verschärft werden.

Überfälliger, aber holpriger Start

Das Lobbyregister ist mehr als überfällig. Leider hat es am Ende erneuter Affären bedurft, um es politisch durchzusetzen. Auch wenn das Gesetz noch elementare Umsetzungsfehler wie den Verzicht auf die sonst bewährten Selbstverpflichtungen, die lange Ausnahmeliste und das Ausklammern des Mandatslobbyismus aufweist, so ist der Schritt hin zu gesetzlichen Regelungen doch grundsätzlich zu begrüßen. Denn es setzt der Interessenvertretung klare Spielregeln und schafft mehr Transparenz. So kann langfristig mehr Akzeptanz für das legitime Lobbying in einer pluralistischen Demokratie geschaffen werden.

 

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