05.02.2021 / Artikel

Bremst das Superwahljahr 2021 das Reformtempo im Gesundheitswesen?

Ab Mitte des Jahres startet der Wahlkampf. Damit endet zunächst die Ära der Gesundheitsreformen von Jens Spahn. Was bedeutet das für die angestoßenen Entwicklungen?

Im deutschen Gesundheitssystem ist aktuell viel in Bewegung. Es steht außer Frage, dass Jens Spahn (CDU) in seiner Zeit als Bundesgesundheitsminister – auch gegen starke Widerstände – die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens entscheidend vorangetrieben hat.

Mit der Einführung des „Terminservice- und Versorgungsgesetzes“ (TSVG) im Jahr 2019 sowie dem „Digitale-Versorgung-Gesetz“ (DVG), dem „Patientendaten-Schutz-Gesetz“ (PDSG) und dem „Krankenhauszukunftsgesetz“ (KHZG) im vergangenen Jahr stellte Spahn wichtige Weichen für die Einführung von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), der elektronischen Patientenakte (ePA) und der Digitalisierung von Krankenhäusern. Aber auch die Pandemie hat ihren Teil zur Digitalisierung beigetragen, insbesondere im Bereich der telemedizinischen Anwendungen wie virtuellen Sprechstunden oder aktuell der Vergabe von Impfterminen.

Doch wie geht es in diesem Jahr weiter, wenn die Parteien spätestens ab Mai in den Wahlkampfmodus schalten?

Gesetzesvorhaben bis zum Ende der Legislatur

Zunächst hat der Gesundheitsminister noch ein weiteres Digitalisierungsgesetz in der Pipeline: Das „Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz“ (DVPMG). Am 20.01.2021 wurde es im Kabinett verabschiedet, Mitte des Jahres soll es in Kraft treten. Ziel des Gesetzes ist es, neben der Digitalisierung der Pflege auch die Förderung der Gesundheitskompetenz voranzutreiben.

Hand in Hand mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens geht die Diskussion um Gesundheitsdaten. Neue Technologien wie KI-Systeme können ohne Daten nicht funktionieren. Somit steht die Schaffung von vernetzten Datenräumen ebenfalls ganz oben auf der politischen Agenda. Am  27. Januar 2021 hat das Bundeskabinett dazu die Datenstrategie der Bundesregierung beschlossen. Auch Maßnahmen für den Datenraum Gesundheit werden darin festgehalten, unter anderem:

  • Aufbau eines Forschungsdatenzentrums, welches als vertrauenswürdiger Datenraum dienen soll. Ab 2023 sollen dort auch freiwillige Datenspenden aus der elektronischen Patientenakte (ePA) erfasst werden.
  • Im Rahmen der Innovationsinitiative „Daten für Gesundheit“ haben BMG, BMBF und BMWi einen Fahrplan für die Weiterentwicklung von Forschung mit gesundheitsrelevanten Daten vorgelegt, welcher nun vorangetrieben werden soll.
  • Zusammenführung der Daten der Krebsregister der Länder, um diese bundesweit besser für die Gesundheitsforschung und -versorgung nutzbar zu machen. Der „Entwurf eines Gesetzes zur Zusammenführung von Krebsregisterdaten“ soll im Februar im Kabinett diskutiert werden.

Die Schaffung gemeinsamer Datenräume wird auf europäischer Ebene ebenfalls vorangetrieben. Gesundheitspolitische Themen bildeten einen Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr. Darunter die Schaffung eines EU-Datenraums. Dazu soll in diesem Jahr die „Joint Action European Health Data Space“ ihre Arbeit aufnehmen. Für eine einheitliche Regelung im Rahmen eines europäischen Gesundheitsdatenraums wird zudem ein gemeinsamer „Code of Conduct“ entwickelt.

Diese Projekte sind nur ein Ausschnitt dessen, was in diesem Jahr noch auf nationaler und europäischer Ebene in Planung ist. Es ist also noch einiges in Bewegung.

Zeit der Umsetzung

Das rasante Reformtempo hat nicht zuletzt auch die Schwächen des deutschen Gesundheitssystems aufgezeigt: Datenschutzmängel in Praxen und Kliniken, fehlende IT-Infrastruktur, der enttäuschende Start der ePA, Überforderung von Ärzten mit DiGAs, Streit um die Finanzierung der DiGAs oder die Nutzung von Daten – um nur einige zu nennen.

Die verstärkte Zusammenarbeit auf europäischer Ebene zeigt ebenfalls den Nachholbedarf im deutschen Gesundheitssystem auf. Schließlich arbeitet Estland bereits seit 2008 mit elektronischen Patientenakten und hat mit Portugal und Finnland ein gemeinsames System zum Austausch von Gesundheitsdaten entwickelt.

Durch die vielen Spahn-Reformen und den realen Stresstest der Pandemie wurden viele Steine ins Rollen gebracht und damit der Weg in eine digitale Gesundheitsversorgung angestoßen. Fakt ist: Spätestens ab Mitte des Jahres wird es keine neuen Reformen und Gesetze auf nationaler Ebene mehr geben – es sei denn, die Pandemie-Lage zwingt dazu.

Der Wahlkampf wird die Entwicklungen jedoch nicht gänzlich aufhalten: Brüssel arbeitet weiter an Projekten wie der Pharmastrategie und dem EU-Datenraum. In Deutschland müssen die beschlossenen Reformen nun zügig umgesetzt werden, denn nach der Theorie folgt die Praxis. Und bisher zeigt die Praxis: Es bleibt noch einiges zu tun.

 

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