Das Einzelhandelsunternehmen hatte sich die anstehende Transformation nicht leichtgemacht. Anders als in der Branche üblich wollte man sich nicht auf die Verbreitung positiver Nachrichten –Filialeröffnungen oder die neue Sommerkollektion – beschränken.
Gegen den Rat der Rechtsabteilung, die zur Beschränkung auf die gesetzlich verpflichtende Kommunikation (v.a. gegenüber Betriebsräten) geraten hatte, lautet die Devise der Geschäftsführung: Wenn wir Belegschaft, lokale Politik, Medien und andere Stakeholder von unserer Strategie überzeugen wollen, dann müssen wir sie erklären – mit allen Fürs und Widers. Und dazu gehören auch Filialschließungen und Arbeitsplatzabbau.
Auch in der Krise: Verantwortung verlangt Kommunikation
Damit entschied sich das Management für ein Vorgehen, das in Zeiten einer immer lauter werdenden Debatte über die Verödung von Innenstädten und das vermeintlich so unnachhaltige Geschäftsmodell vieler Discounter eine umfassende Kommunikation verlangte. In der Folge definierte das Unternehmen interne und externe Stakeholder, entwickelte einen „Engagement Plan“ und formulierte Botschaften zu relevanten „Issues“: Arbeitsplätze, gesellschaftliche Verantwortung, Nachhaltigkeit. Die Liste war lang.
Die umfassende Vorbereitung zahlte sich aus. Die betroffenen Kommunen fühlten sich (weitgehend) abgeholt, Betriebsräte und Gewerkschaften verloren ihr Diskursmonopol die Belegschaft fühlte sich informiert. Im Anschluss an ein Pressegespräch berichteten Medien (wiederum weitgehend) sachlich.
Diskurs ist nicht friedlich
Sorgen Information und Teilhabe also zwangsläufig für einen rationalen und jeglicher Aufgeregtheit abholden Diskurs? Natürlich nicht. Interessen bleiben – jene der Unternehmensleitung und jene der Belegschaft.
Auch nach einer offen kommunizierten Schließung von Filialen gehen dort irgendwann die Lichter aus. Und für eine Verkäuferin wird der Jobverlust nicht angenehmer, weil er ordentlich begründet ist. Dass sie sich empört, ist verständlich, dass sich der Betriebsrat für sie einsetzt, seine Pflicht. Wenn er dafür Twitter oder die Lokalzeitung, nutzt, ist dies nicht verboten. Dient es der Sache? Eher nicht.
Es gibt dumme Fragen
Vielmehr entsteht hier – dem transparenten Stakeholder-Dialog nachgelagert – ein zweiter öffentlicher Diskurs, der viele kleine und kurze Aufmerksamkeitshöhepunkte kreiert, sehr aufgeregt geführt wird und bei dem sich die Teilnahme für Unternehmen zumeist nicht lohnt. Wer verantwortungsbewusst auch vermeintlich schlechte Nachrichten öffentlich macht, muss zwar mit der Rollenzuteilung des „bad guy“ leben, nicht aber notwendigerweise auch auf jeden Angriff bei Facebook oder jede Frage einer Lokalreporterin antworten.
Wenn sich (online) Medien von der einen oder anderen Seite instrumentalisieren lassen, werden Posts und Artikel zur Verhandlung mit anderen Mitteln. Über die Zukunft von Standorten und Arbeitsplätzen wird jedoch nicht auf Seite drei der Lokalzeitung entschieden, sondern im Gespräch mit demokratisch legitimierten Vertreterinnen und Vertretern von Belegschaften oder auch Kommunen.
Die Frage „Hat der Standort Tronningen eine Bestandsgarantie?“ ist deshalb höflich formuliert manipulativ. Auch wenn es angeblich keine dummen Fragen gibt, handelt es sich weniger höflich um genau das – eine dumme Frage. Was im Leben hat schon eine unendliche Bestandsgarantie? Dies auch zu sagen, bringt freilich wenig – außer der Überschrift „Filiale in Tronningen vor der Schließung?“
Nicht über jedes Stöckchen springen
Gleiches gilt für durchaus sachliche Fragen, die umfangreiche Recherchen oder längeres Nachdenken erfordern, jedoch mit einer Frist von vier Stunden gestellt werden. Bei allem Verständnis für die Regeln journalistischer Arbeit gilt, dann doch eher gar nichts zu sagen als Falsches oder Unausgegorenes zu verbreiten.
Und so kann die Positionierung von Unternehmen im öffentlichen Diskurs letztlich nur drei Maßgaben folgen:
- die Beschränkung auf rechtlich verpflichtende Information
- den (kontinuierlichen) Dialog mit relevanten Stakeholdern zum Zwecke der Information und Teilhabe
- die Reaktion auf beinahe jede Frage, jeden Post, jede Provokation
Die Lösung liegt wie so häufig in der Mitte: Wer (mediale) Stakeholder einbindet, verbessert mittelfristig das Standing im Diskurs. Sollte man deshalb jede Anfrage beantworten? Wohl kaum. Es ist, um es mit Franz Müntefering zu sagen, durchaus angeraten, nicht über jedes Stöckchen zu springen.