Nur wenn alle Fragen mit einem vorbehaltlosen Ja zu beantworten sind, erscheint die Beteiligung an der Debatte wirklich zielführend. Bei einem oder zwei Neins sind Nutzen und Risiko klug abzuwägen. Dass das Thema gerade en vogue ist, kann allein die (vermutlich wenig substantiierte) Wortmeldung nicht rechtfertigen.
Black Lives Matter: Nike überzeugt, H&M nicht ganz so
Der Sportartikelhersteller Nike hat über Jahrzehnte enge Verbindungen zu schwarzen Sportlern und NGOs der schwarzen Community aufgebaut. Der Quarterback Colin Kaepernick, eine „Person of Color“ und bekannt geworden durch seinen Einsatz gegen Rassismus und Polizeigewalt, wurde bereits 2018 das Gesicht einer landesweiten Kampagne des Unternehmens für Bürgerrechte. Dann macht es durchaus Sinn, wenn sich das Unternehmen nach dem Tod von George Floyd für die Black-Lives-Matter-Bewegung einsetzt. Das weitgehend positive Echo aus Politik und Zivilgesellschaft unterstützt diese Annahme. Sich bewusst dem Ärger des amtierenden amerikanischen Präsidenten (Trump) auszusetzen und Umsatzverluste bei MAGA-Anhängern zu riskieren, die öffentlich ihre Nike-Sneaker verbrannten, macht das Engagement umso überzeugender.
Wenn H&M dasselbe tut, macht das höflich formuliert deutlich weniger Sinn. Das schwedische Modeunternehmen war zuvor in diesem Zusammenhang v.a. wegen der vermeintlich rassistischen Auswahl von Kindermodels negativ aufgefallen („Coolest Monkey In The Jungle“). Nach anhaltender Kritik an der öffentlich bekundeten Solidarität mit „Black Lives Matter“ schreibt die Vorstandsvorsitzende Helena Helmersson: „We stand with and support the Black Community (…). We also acknowledge our past mistakes and they have made us acutely aware of how much we still need to learn. As a company, we are growing, but we can and must do better.“[5] So endet die vermeintlich moralische Unterstützung der guten Sache in einem peinlichen Schuldeingeständnis.
Glaubwürdigkeit entscheidet
Empfehlenswert erscheint vor diesem Hintergrund, wenn sich Unternehmen für wenige Themen engagieren, dann aber dauerhaft und sowohl mit Worten als auch Taten. Wer glaubhaft das gesellschaftliche Engagement eines Unternehmens darstellen möchte, kann sich nicht heute für Frauen in Führungspositionen engagieren und morgen gegen die Jagd auf Wale agitieren. Entscheidend für den Erfolg einer Kampagne ist die Glaubwürdigkeit des unternehmerischen Motivs. Und die will im Wettstreit der Unterstützer einer guten Sache hart erarbeitet sein.
Die Ausnahme: das Unternehmen als Stimme im Chor der Corporate Citizens
Sollten Unternehmen also grundsätzlich schweigen, wenn sie selbst keinen Beitrag leisten können? Bei „special Issues“, ja. Gemeint sind all jene Themen, bei denen Unternehmen durch ihr Geschäftsmodell, durch Veränderungen an der Strategie oder auch die Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Gruppen Verbesserungen herbeiführen könnten bzw. diese durch Inaktivität verhindern. Wer mit Produktionsstätten in der Provinz Xinjiang (die Heimat der Uiguren) zusammenarbeitet, sollte am „U.N. World Day for Cultural Diversity“ vielleicht besser mal den Mund halten. Hier würden die Taten den wohlfeilen Worten offensichtlich widersprechen.
Aber wie steht es um Fragen des generellen Zusammenhalts unserer Gesellschaft? Was, wenn es nicht explizit nur um LGBTQIA+, nur um ethnische Minderheiten, nur um Klima, Wohnungsnot, Biodiversität oder Kriminalität gegen Senioren geht? Was, wenn das sogenannte „große Ganze“ auf dem Spiel steht? Kein Bürger allein, weder als Individuum noch als Corporate Citizen, kann maßgeblich dazu beitragen, dass die Bundesrepublik als Demokratie funktioniert oder generelle Regeln des Anstands eingehalten werden.
Dafür braucht es eine substantielle Mehrheit, eine Gemeinschaft. Notwendig ist die Wortmeldung der Vielen, nicht die Maßnahme der Einzelnen. Dann geht es nicht um die individuelle Bürgerin, oder den Bürger. Dann geht es um die Bürgerschaft. Und die Rolle eines Unternehmens kann dann nur sein, als eines unter vielen in einen großen Chor der Corporate Citizens einzustimmen: Lebt Demokratie, geht zur Wahl, gestaltet eure Gesellschaft. Sind das hohle Worte? Es mag so scheinen. Aber hier zählt die Masse (der Corporate Citizens). In seltenen Fällen können sich Worte allein aufgrund ihrer schieren Menge zur Tat verwandeln – gegen Ausgrenzung und Populismus, für Freiheit und Menschenrechte. Auch wenn es nicht mehr als Worte sind: In diesen Fällen sollten Unternehmen ihre Stimme erheben.
Quellen:
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